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iff-Infobrief 37/02

Flutkatastrophe, Schließfach, Wertbegrenzung

 

I.                Sachverhalt

Die Flutkatastrophe hat auch vor den Banken nicht halt gemacht. Viele Filialen wurden überschwemmt und das Inventar zerstört. Ein großes Problem stellen die überfluteten Bankschließfächer dar.

Auf die Rechte des Bankkunden im Falle der Überflutung seines Schließfachs geht bereits der Infobrief 27/02 ein.

Ergänzend dazu wird jetzt gefragt, wie sich die Situation darstellt, wenn der Schließfachvertrag zwischen dem Kunden und dem Kreditinstitut eine Wertbegrenzung enthält, bis zu deren Höhe der Kunde nur Wertgegenstände in das Schließfach einlagern darf.

 

  • Sind solche Vereinbarungen, dass der Kunde nur Wertgegenstände bis zu einer bestimmten Höhe in sein Schließfach einlagern darf, zulässig?
  • Darf sich die Bank im Falle der Überflutung des Schließfachs auf eine (wertmäßige) Haftungsbegrenzung berufen?
  • Kann die Bank die volle Jahresmiete verlangen?

 

II.              Stellungnahme

 

1. Rechtsnatur des Schließfachvertrags

Durch den Schließfachvertrag verpflichtet sich die Bank (oder Sparkasse), dem Kunden ein Schließfach (Safe, Stahlkammerfach, Tresor) zur Verfügung zu stellen, das dieser zur Verwahrung von Gegenständen benutzen kann. Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Mietvertrag gem. § 535 BGB und nicht um einen Verwahr- oder Depotvertrag, denn dem Kunden kommt es nur auf die Aufbewahrungsmöglichkeit eines Wertgegenstandes an und es ist grundsätzlich beiden Vertragsparteien gleichgültig, ob der Kunde auch tatsächlich Wertgegenstände im Schließfach einlagert.

 

2. Inhalt des Schließfachvertrags

Der Inhalt des Schließfachvertrags ergibt sich zunächst aus seiner Qualifikation als Mietvertrag. Danach schuldet die Bank als Vermieterin gem. § 535 S. 1 BGB die Zurverfügungstellung eines Schließfachs, das den besonderen Sicherungsbedürfnissen des Kunden Rechnung trägt und vor denkbaren und vorhersehbaren schädlichen Einwirkungen von Naturkräften schützt.

Der Kunde ist gem. § 535 S. 2 BGB zur Entrichtung des vereinbarten Mietzinses verpflichtet.

 

3. Zusätzliche Vertragsbedingungen

Regelmäßig werden dem Abschluss eines Schließfachvertrags zusätzlich vorgefertigte Regelwerke der Banken zugrunde gelegt. Bei den sogenannten "Bedingungen für die Vermietung von Schließfächern" handelt es sich um ein von den Banken aufgestelltes Regelwerk im Zusammenhang mit der Bereitstellung und Nutzung eines Schließfachs, das der Kunde bei Abschluss des Vertrags anerkennt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kunde zuvor auf ihren Inhalt hingewiesen wurde und die Möglichkeit zur Einsichtnahme hatte. Solche Geschäftsbedingungen müssen den gesetzlich vorgegebenen Anforderungen der §§ 305 bis 312 BGB (vormals Regelungen des AGBG) entsprechen.

Daneben werden regelmäßig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken (und Sparkassen) zum Vertragsinhalt gemacht, die neben allgemeinen Regelungen insbesondere Regelungen zur Frage der Haftung enthalten (dazu unter Punkt 3b).

 

a. Wertbegrenzung der eingebrachten Gegenstände

Neben der Einbeziehung der oben genannten Vertragsbedingungen enthalten mache Schließfachverträge eine Vereinbarung, dass der Kunde nur Wertgegenstände bis zu einer bestimmten Höhe in den Schließfächern aufbewahren darf. Die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bemisst sich ebenfalls anhand der §§ 305 bis 310 BGB. Auch der Umstand, dass die vereinbarte Höchstsumme handschriftlich in dem Vertragsformular eingetragen wird, macht die Vereinbarung noch nicht zu einer Individualvereinbarung, die keiner gesetzlichen Überprüfung anhand der §§ 305 bis 310 BGB unterliegt. Auf die vertragliche Einbeziehung einer Wertbegrenzungsregelung als solche hat der Kunde nämlich keine Einflussmöglichkeit.

 

Eine Überprüfung einer solchen Wertbegrenzung begegnet im Ergebnis erheblichen Bedenken. Zwar gibt es bislang dazu noch keine einschlägige Rechtssprechung, doch spricht vieles dafür, dass eine solche Regelung gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, sowie dem Verbot der überraschenden Klausel, § 305 c Abs. 1 BGB verstößt.

 

aa. Verbot der unangemessenen Benachteiligung, § 307 Abs. 1 BGB

Das Gesetz selbst gibt in § 307 Abs. 2 BGB den Maßstab vor, anhand dessen das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung zu beurteilen ist. Danach ist eine unangemessene Benachteiligung dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Die Wertbegrenzungsregelung schränkt in unzulässiger Weise die durch Gesetz eröffnete Möglichkeit des Kunden ein, die Mietsache, das Schließfach, uneingeschränkt nutzen zu können. Sie widerspricht auch gerade der Natur des Vertrags, nämlich dem Kunden zu ermöglichen, gegen Zahlung einer Gebühr in dem gemieteten Schließfach wertvolle Gegenstände aufzubewahren.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass beispielsweise eine Regelung in den "Bedingungen für die Vermietung von Schließfächern" zulässig ist, wonach der Kunde sich verpflichtet, das Schließfach nicht zur Aufbewahrung gefährlicher Sachen zu nutzen". Diese Klausel, die ebenfalls die freie Verfügbarkeit des Kunden über das Schließfach eingeschränkt, begegnet deshalb keinen AGB-rechtlichen Bedenken, weil sich die Einschränkung aus dem Schutz der Schließfachanlage und vor allem aus dem Schutz der Sachen anderer Mieter rechtfertigt. Eine solche Rechtfertigung der Nutzungseinschränkung ist im Falle der Wertbegrenzungsregelung nicht gegeben. Vielmehr wird hinter dieser Regelung regelmäßig der Zweck stehen, die Haftung der Bank auf eine bestimmte Höhe begrenzen zu wollen. Eine beabsichtigte Haftungsbegrenzung der Bank rechtfertigt jedoch in dieser Form nicht die Einschränkung der Rechte des Kunden. Dagegen lässt sich auch nicht anführen, dass ja auch das eben genannte Verbot, keine gefährlichen Sachen einzulagern, regelmäßig die Aufgabe hat, Schadensersatzansprüche gegen den Kunden im Falle seiner Zuwiderhandlung zu begründen. Doch im Unterschied hierzu dient eine Wertbegrenzungsregelung einzig und allein dem finanziellen Interesse der Bank.

 

bb. Verbot der überraschenden Klausel, § 305 c Abs. 1 BGB

Zusätzlich erscheint durchaus auch ein Verstoß gegen das Verbot der überraschenden Klausel, § 305 c Abs. 1 BGB, denkbar. Wer ein Schließfach mietet, will darin seine subjektiv und objektiv wertvollen Gegenstände sicher deponieren. Es kann nicht vom Kunden erwartet werden, dass er sich vor dem Einlagern der Sachen über den tatsächlichen Wert seiner Gegenstände informiert, u.U. wird er den Wert gar nicht ohne Weiteres in Erfahrung bringen können. Deshalb wird man eine solche Wertbegrenzungsregelung auch als überraschend für den Kunden ansehen können.

Behauptet die Bank, sie haben den Kunden ausdrücklich auf die Klausel hingewiesen (und damit keine "überraschende Klausel" verwendet) so ist sie dafür auch beweispflichtig. Aus dem Umstand, dass beispielsweise die entsprechende Wertbegrenzungssumme handschriftlich im Vertrag eingetragen ist, wird man nicht zwangsläufig den Schluss ziehen dürfen, dass der Kunde darauf hingewiesen worden ist. 

 

b. Summenmäßige Haftungsbegrenzung in den AGB-Banken

Lässt sich die Bank vom Kunden die wertmäßige Begrenzung der einzubringenden Gegenstände unterschreiben, so spricht vieles dafür, dass eine solche Regelung wegen Verstoßes gegen §§ 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB nichtig ist.

Eine im Ergebnis andere Beurteilung erscheint nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Bank in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine summenmäßige Haftungsbegrenzung vorsieht (z.B.: "Die Bank haftet für den Verlust oder die Zerstörung von eingebrachten Sachen (Tresor, Schließfach, etc.) nur bis zur Höhe von x €/ der vertraglich vereinbarten Wertbegrenzung der eingebrachten Sachen"). Die Rechtsprechung hat eine summenmäßige Haftungsbegrenzung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nämlich für zulässig erachtet, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum vertragstypischen Schadensrisiko stehen (BGH, NJW 1993, 335; Palandt, Ergänzungsband, 61. Auflage, § 307 BGB Rn. 51). Sowohl auf diese Regelung, als auch auf die Wertbegrenzungsregelung muss die Bank den Kunden vor Abschluss des Schließfachvertrags dann hingewiesen haben.

Zusätzlich wird man letztlich auch noch fordern müssen, dass die Bank vor Vertragsschluss auf die Möglichkeit einer Zusatzversicherung hinweist und eine solche dem Kunden auch zu angemessenen Bedingungen anbietet. Nur so steht eine Haftungsbegrenzung im angemessenen Verhältnis zum vertragstypischen Risiko und beschneidet nicht in unzumutbarer Weise den Sinn und Zweck einer Schließfachanmietung (vergleiche auch NJW-RR 1994, 742; Palandt, Ergänzungsband, 61. Auflage, § 307 BGB Rn. 51).

Auch sofern der Kunde die Summe der Haftung erst mit Blick auf die im Schließfachvertrag vereinbarte Wertbegrenzung ermitteln kann, wird man darin wohl dann keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot und das Bestimmtheitsgebot, § 307 Abs. 1 BGB, ausmachen können, wenn dem Kunden vor Vertragsschluss beide Klauseln bekannt gemacht worden sind. 

 

4. Fazit

Eine in Formularverträgen für die Miete eines Bankschließfaches enthaltene Regelung über die wertmäßige Begrenzung der einzubringenden Gegenstände legt die Nichtigkeit einer solchen Regelung wegen Verstoßes gegen §§ 305 c Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB nahe . Da bislang keine Rechtsprechung dazu vorliegt, darf man aber gespannt auf eine erste richterliche Beurteilung sein.

Ausnahmsweise erscheint eine solche Regelung nur dann zulässig, wenn a) die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken eine summenmäßige Haftungsbegrenzung für den Verlust oder die Zerstörung eingebrachter Sachen vorsehen, b) der Kunde vor Vertragsschluss sowohl auf die Wertbegrenzungsregelung als auch auf den Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird und ihm Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben wird sowie d) der Kunde vor Vertragsschluss auf die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abzuschließen, hingewiesen und ihm eine solche zu angemessenen Bedingungen angeboten wird.

Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann sich die Bank auf eine summenmäßige Haftungsbegrenzung berufen.

Sofern die Bank als Vermieterin ihrer vertraglichen Verpflichtung nachkommt, das gemietete Schließfach in einwandfreiem Zustand zum Zwecke der Aufbewahrung von Wertgegenständen zur Verfügung zu stellen, ist der Kunde zwar grundsätzlich verpflichtet, den vertraglich festgelegten Mietzins zu zahlen. Der Vertragsinhalt ist nämlich davon unabhängig, ob der Kunde tatsächlich Gegenstände in dem Schließfach deponiert. Doch sollte die Bank schon aus Gründen der Kulanz davon absehen, vom Kunden, der seinen gesamten Schließfachinhalt verloren hat, weiterhin die Miete für das nutzlos gewordene Schließfach zu verlangen.

 

Hat das Hochwasser den Inhalt des Schließfachs zerstört[1] und enthält der Schließfachvertrag eine Wertbegrenzung, die unterhalb der tatsächlichen Schadenssumme liegt, so wird dem Kunden Folgendes empfohlen:

  • Vergegenwärtigen Sie sich, ob Sie vor Abschluss des Schließfachvertrags auf die Wertbegrenzungsklausel hingewiesen worden sind
  • Sehen Sie nach, ob Ihr Schließfachvertrag einen Verweis auf die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken enthält.
  • Enthält ihr Vertrag einen solchen Verweis, muss Ihnen ein solches Regelwerk mit dem Hinweis auf eine darin enthaltene Haftungsbegrenzung vor Vertragsschluss entweder ausgehändigt worden sein oder Sie müssen die Gelegenheit gehabt haben, das Regelwerk vor Abschluss des Vertrags einzusehen.
  • Fehlt ein solcher Verweis oder hatten Sie keine Möglichkeit der Kenntnis- bzw. Einsichtnahme in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, wenden Sie sich an ihren Kundenberater und legen ihm die Haftungssituation dar.
  • Bitten Sie Ihre Bank, Ihnen die weiteren Mietzahlungen für das nutzlos gewordene Schließfach zu ersparen und Sie aus dem für Sie nutzlos gewordenen Mietvertrag über das Schließfach zu entlassen.
  • Wenden Sie sich an einen Rechtsanwalt oder ihre Verbraucherzentrale, wenn Sie mir ihren Schadenersatzforderungen bei der Bank auf taube Ohren stoßen. 


[1] Zu den Einzelheiten der Haftungsvoraussetzungen der Bank für Hochwasserschäden (fehlende Hochwassersicherung oder Verletzung ihrer Pflicht, den Kunden rechtzeitig vor den unvorhergesehenen drohenden Gefahren für den Inhalt seines Schließfachs zu warnen): Infobrief 27/02; OLG Koblenz, Urteil vom 22.2.1996, WM 1997, 470 ff.; Gössmann, in: Schimanzky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Bd. 2, § 73 Rn. 3.

   

Erzeugt: 23.10.02. Letzte Änderung: 31.10.02.
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